#Climatejustice und der Goals Connect e.V. — Ein Interview mit On Purpose Fellow Martin Strobel

Im Rahmen unserer Serie “Climate Conversations” agieren wir von On Purpose seit diesem Jahr als Multiplikator für Stimmen, die andere inspirieren und zu einem nachhaltigeren Wirtschaften und Leben im Sinne des Klimas motivieren möchten. Wir bei On Purpose sind selbst vor einigen Monaten mit dem Ausruf des #Climateemergency auf eine Reise aufgebrochen und lernen im Rahmen unseres eigenen Wandlungsprozesses von den zahlreichen Menschen aus unserer internationalen und engagierten Gemeinschaft jeden Tag aufs Neue dazu.

Heute sprechen wir mit Martin Strobel, On Purpose Fellow aus Berlin, und sind gespannt darauf, mehr über Martins Engagement im Thema Nachhaltigkeit und Klima zu hören.

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Zu unserem Gast

Bevor Martin bei On Purpose als Associate startete, arbeitete er knapp neun Jahre bei einem international tätigen B2B- Versandhandel für Sportgeräte und verantwortete dort u.a. das internationale Marketing. Anschließend war er als Teamleiter verantwortlich für die Projekte des Teams Konzept & Design. Martin ist jedoch seit einigen Jahren überzeugt davon, dass gesellschaftlicher Wandel auf vielen Ebenen durch die Wirtschaft gestaltet und vorangetrieben werden muss. Daran mitzuwirken war sein größter Antrieb Teil des On Purpose Programms zu werden.

Martin, werfen wir zunächst einmal einen Blick zurück in deine Zeit als Associate bei On Purpose. Hast du dich schon damals für das Klima engagiert und wenn ja wie?

Die intensive Beschäftigung mit der Thematik ging bei mir tatsächlich erst parallel zum On Purpose-Programm los. Klar, Klimawandel hat man gehört und auch ernst genommen, aber die wirklichen Dimensionen der Thematik waren mir bis dahin nicht so klar. Dazu kommt ergänzend die mediale Präsenz des Themas durch FridaysForFuture seit Anfang 2019. Daher würde ich es nicht unbedingt Engagement nennen. Sondern vielmehr drehte es sich um den Einstieg in die Thematik und das Kennenlernen verschiedenster Akteure.

Im Rahmen des Programms warst du u.a. beim Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit eingesetzt. Gab es hier oder auch im Rahmen der weiteren Elemente des Associate-Programms ein paar AHA-Momente, die dich und dein Engagement gegen den Klimawandel beeinflusst haben?

In der Tat gab es viele solcher Momente. Besonders bei meiner Zeit im Institut, aber auch während des zweiten Placements bei kaputt.de sowie im Rahmen der Trainings und des Austausches mit der großen Community. Besonders sind mir zwei Dinge deutlich geworden. Zum Einen, dass das Thema eine hohe Dringlichkeit hat. Zum anderen aber auch, dass es unfassbar viele tolle Akteure gibt, die an Lösungen arbeiten. Ganz egal ob Wissenschaftler*innen, Start-ups, potentielle Gründer*innen, NGO*s usw.. Sie benötigen aber noch viel mehr Öffentlichkeit und Resonanzraum.

Welche Themen liegen dir im Bezug auf das Thema #Climateemergency besonders am Herzen/bewegen dich besonders und warum?

Die Dringlichkeit des Themas habe ich jetzt schon mehrfach erwähnt. Ich denke aber, dass wir mit Hysterie und Apokalypse nicht weiterkommen. Würde das funktionieren, gäbe es bereits einen anderen Drive in der Thematik. Ich bin überzeugt vom Chancenreichtum der in Veränderungen steckt. Und der hat längst nicht nur eine Klimaperspektive, sondern kann zusätzlich bspw. gesellschaftlich, gesundheitlich, ökonomisch etc. ausfallen. Wir müssen also attraktive Visionen zeigen, um neugierig auf Veränderung zu machen und zu motivieren. Heißt, eher ein “hin zu” als ein “weg von”.

Machen wir ein Beispiel. Viele können sich nicht vorstellen, wie autofreie Stadtteile überhaupt aussehen können und was das bedeutet. Gibt es aber mal die Möglichkeit, für ein paar Tage oder Wochen in einer Straße die Autos komplett draußen zu halten, dann kann man die Veränderung (Platz, Luftqualität, Sicherheit, etc.) schnell spüren und entwickelt eher eine Offenheit für diese Themen oder setzt sich sogar dafür ein.

Und, wie schon betont, viele tolle Lösungen gibt es schon, sie haben einfach noch keine Öffentlichkeit oder es fehlt an entsprechenden Rahmenbedingungen.

Ich erinnere mich noch gut daran: Du hast das On Purpose Jahr 2019 mit Gründungsplänen für eine App namens “One year without” beendet. Was stand hinter der Idee und was ist mittlerweile aus den anfänglichen Plänen geworden?

Ja, die App war eine von mehreren Schnapsideen. Es ging im Kern darum, einen attraktiven Anreiz zu persönlichen, klimafreundlichen Verhaltensänderungen zu schaffen. Ich finde die Idee immer noch ganz charmant, aber leider haben wir kein Erlösmodell bzw. entsprechende Förderungen gefunden, sodass das Projekt zunächst etwas in den Hintergrund gerückt ist. Viele Learnings aus diesem Projekt haben mich dazu bewogen, den Fokus auf Bildungsarbeit in diesem Bereich zu legen.

goals connect logo

Jetzt arbeitest du also an einem Herzensprojekt, das du bereits vor deinem Jahr bei On Purpose mit initiiert hattest, richtig? Kannst du in wenigen Sätzen beschreiben, was euer Verein goals connect macht?

goals connect e.V. versteht sich im Kern als Verein der Bildungsangebote in gesellschaftsrelevanten Themenfeldern anbietet. Unser Ziel ist es, eine diversitätsbewusste, chancenorientierte und nachhaltig agierende Gesellschaft zu fördern. Das “goals” bezieht sich nicht, wie viele denken, auf die Sustainable Development Goals der UN, sondern aus der Historie des Vereins, der zunächst mittels Fußball versuchte Türen zu öffnen und Menschen zu verbinden. Der Verein wurde bereits 2009 gegründet, also noch bevor die SDG verabschiedet wurden. Umso schöner, dass es diese Analogie jetzt zufällig gibt. Thematisch passt es auch super zusammen. Und, ganz nebenbei, bieten wir sogar einen Schulworkshop zum kennenlernen der SDG an.

goals connect hat in der Vergangenheit ehrenamtlich bereits über 150 Workshops erfolgreich veranstaltet. Dabei ging es u.a. um Themen wie “Flucht und Asyl” oder “Afrika besser verstehen”. Jetzt erweitern wir das Themenspektrum um das große Feld der Nachhaltigkeit. Zudem widmen wir uns der Erwachsenenbildung indem wir spannende Workshops für Unternehmen und Organisationen anbieten. Diese werden zunächst mit Support von externen Expert*innen konzipiert und durchgeführt.

Und der Clou: mit den Erlösen der For Profit Unternehmensworkshops finanzieren wir die Workshops für die Schulen.


Goals Connect Arbeit

Mit dem Themenfeld Nachhaltigkeit habt ihr erst vor Kurzem ein wichtiges Themengebiet in die Arbeit eures Vereins aufgenommen und setzt dabei nun auch den Fokus auf Umwelt- und Klimathemen. Was hat euch dazu veranlasst?

Je mehr ich mich mit der Thematik beschäftigt habe umso klarer sind mir zwei Dinge geworden. Zunächst haben wir ein gigantisches Wissensdefizit was die Klima-Thematik angeht. Was heißt 2–3 Grad mehr? Wie dringlich ist das Ganze? Was hat mein Lebensstil konkret damit zu tun? Was kann ich ändern?

Der zweite Punkt sind erlebbare Alternativen. Wie angesprochen gibt es für viele Dinge attraktive, chancenreiche Alternativen. Diese sind z.T. unbekannt oder die Einstiegsbarrieren sind zu hoch. Heißt, wir müssen generationenübergreifend, aber gerade bei Erwachsenen, Angebote machen, das Wissens-Gap zu schließen und mit chancenreichen Alternativen in Kontakt zu kommen.

Der Bedarf ist da und die Zeit drängt. Also haben wir mit Freundinnen und Freunden beschlossen, goals connect zu nutzen um Angebote in diese Richtung zu machen und auszuweiten. Wir werden den bis hierhin rein ehrenamtlich agierenden Verein professionalisieren, um mit dem Workshopangebot möglichst viel erreichen zu können.


Martin Strobl Alternativ

Du unterstützt bei Goals Connect Unternehmen bei nachhaltigen Transformationsprozessen und bist verantwortlich für die von euch angebotenen Unternehmensworkshops. In welchen Fragen rund um das Klima suchen Organisationen euren Verein auf? (oder können sie euch aufsuchen?)

Wir starten zunächst mit dem neuen “GreenTeam-Programm”. Hier möchten wir Unternehmen und Organisationen ein attraktives Angebot machen wie sie ihren Organisationsalltag nachhaltiger gestalten können. Das GreenTeam-Programm ist Start oder Ergänzung der individuellen Nachhaltigkeitsstrategie. Der Kern liegt dabei zunächst auf Klima- bzw. Umweltfreundlichen Veränderungen. Basis wird ein interaktiver Impulsworkshop sein, an dem idealerweise ein heterogener Mix an Mitarbeiter*innen teilnimmt. Wir zeigen auf, wie Handlungsfelder identifiziert und Alternativen gefunden werden können. Zudem erarbeiten wir Strategien zur Implementierung, zur Kommunikation und zur Verstetigung von Maßnahmen. Wer möchte, kann sich im Nachgang zu diesem Impuls-Workshop von uns weiter begleiten lassen. Die Teilnehmer*innen gestalten im Ergebnis ihren Alltag klimafreundlich.

Auch wenn bei vielen Unternehmen der große Hebel im Kerngeschäft liegt, also oftmals in Liefer-/ Wertschöpfungsketten, Produktion, etc., so ist der unmittelbar erlebbare Alltag enorm wichtig. Hier wird Klima- und Umweltschutz greifbar und die Organisationen können nachhaltige Werte glaubhaft leben. Das bindet Mitarbeitende, stärkt deren Handlungskompetenzen, Selbstwirksamkeit und Skills, sorgt für eine bessere Atmosphäre, spart Kosten, strahlt auf die jeweilige Marke nach innen und außen und ist mittel- und langfristig ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Und ganz wichtig: Unternehmen kommen, als gesellschaftlicher Akteur, der generationenübergreifenden, ökologischen Verantwortung nach.

Die von euch gewählte Kombination aus Workshops in Unternehmen und Schulen klingt spannend! Welches sind eurer Meinung nach die drei größten Herausforderungen, wenn es um die Bildung in Deutschland zum Thema Klimawandel geht und mit welchen Bildungsansätzen möchtet ihr diesen Begegnen?

  1. Bildung für Schüler*innen findet in diesem Bereich eher zufällig statt. Es kommt hier stark auf die Initiative und Selbststudium der Lehrkräfte an. Wir haben sogar schon Anfragen von Lehrkräften, die uns gebeten haben, im Rahmen der Lehrkräfte-Fortbildung Angebote zu machen.
  2. Bildung für Erwachsene zu den o.g. Fragen findet ebenfalls wenig statt. Das Netz quillt über vor Informationen und die Orientierung fällt schwer. Die Fossil-Lobby heizt zusätzlich mit leugnerischen Inhalten ein, obwohl der wissenschaftliche Konsens eindeutig ist. Das überfordert viele und lähmt. Wissenschaftliche Erkenntnisse bekommen ideologische Anstriche. Daher sollten wir über die vielfältige Chancenorientierung von Veränderungen aufklären und darüber reden.
  3. Bevor Corona eine ganz reale Bedrohung wurde, haben über 75% der deutschen den Klimawandel als starke Bedrohung empfunden. Es zeigt, dass das Bewusstsein da ist, aber das Problem scheinbar zu abstrakt. Aufgabe ist es, die Dringlichkeit des Themas mit dem Angebot an vielseitig attraktiven Veränderungen zu verknüpfen.

Danke Martin für diesen spannenden Einblick in dein Engagement! Vor dem Hintergrund deiner Erfahrung würde mich zu guter letzt, ganz im Sinne unserer eigenen Reise bei On Purpose, interessieren: Welches konkrete Engagement im Kampf gegen den Klimawandel würdest du dir im Rahmen unseres Commitments zum #ClimateEmergency von On Purpose wünschen?

Ein großer Wunsch ist, dass noch viel mehr Leute lernen, wie selbstwirksam sie sein können. Da ist die On Purpose-Community sicherlich schon ganz vorne dabei. Aber allgemein gesprochen, beobachte ich, dass in unserer Gesellschaft oftmals viele Menschen Wissen, warum Dinge nicht gehen, statt versuchen diese Dinge zu verändern. Es ist wichtig den eigenen CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Aber genauso wichtig ist es, seinen grünen Handabdruck zu vergrößern, also die Systeme in denen man sich bewegt klimafreundlich zu verändern. Gründet Initiativen, schreibt euren Abgeordneten Mails, besucht Demos, “nervt” in euren Unternehmen, diskutiert im Freundeskreis, usw.. Oder kurz: Gestaltet!